(ip/pp) Der nachträgliche Teilverzicht einer Bank auf Bürgschaftsforderungen hebt deren ursprüngliche Sittenwidrigkeit nicht auf – so entschied das Oberlandesgericht (OLG) Saarbrücken in einem aktuellen Fall. Die diesbezügliche Klägerin hatte die Beklagte im Wege des Urkundenprozesses aus vier Bürgschaftsverträgen auf Zahlung von insgesamt gut 165.000,- in Anspruch genommen. Die Klägerin hatte als Darlehensgeberin mit einer GmbH und dem Ehemann der betreffenden Bürgin und Beklagten, der zugleich Geschäftsführer der GmbH war, als Darlehensnehmer drei Darlehensverträge geschlossen: Und zwar über 133.000 DM mit einer jährlichen Verzinsung von 4,05%, sowie, mit leicht unterschiedlichen Verzinsungen über 67.000 DM und über 200.000 DM. Gleichzeitig schloss sie mit dem Ehemann der Beklagten allein einen weiteren Darlehensvertrag über 31.200 DM mit einer jährlichen Verzinsung von 5,1% ab. Für diese vier Darlehensverträge verbürgte sich die Beklagte selbstschuldnerisch jeweils mit schriftlichen Erklärungen in entsprechender Höhe. Zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses war die Beklagte 50 Jahre alt und arbeitete in der Firma ihres Mannes, der bewussten GmbH, und bezog von dort auch ein monatliches Arbeitsentgelt.

Im Jahr 2005 kündigte die Klägerin sowohl gegenüber dem Ehemann der Beklagten als auch gegenüber der GmbH sämtliche bestehenden Geschäftsverbindungen auf. Gleichzeitig informierte sie die Beklagte hierüber und kündigte deren Inanspruchnahme aus den Bürgschaften an. Anschließend forderte sie unter Fristsetzung von der Beklagten Zahlung der aus den vier Darlehensverträgen noch offen stehenden Forderungen in Höhe von gut 160.000 Euro. Über das Vermögen der GmbH und das des Ehemannes der Klägerin wurde darauf das Insolvenzverfahren eröffnet.

Das Landgericht hatte die Klage abgewiesen. Zur Begründung hatte es ausgeführt, die vier Bürgschaften seien wegen Sittenwidrigkeit gemäß § 138 Abs. 1 BGB nichtig. Für die Beurteilung der krassen finanziellen Überforderung der Beklagten müsse im Rahmen einer Gesamtschau auf alle vier Bürgschaftsverträge abgestellt werden. Hiervon ausgehend habe die Beklagte bei Vertragsschluss aus ihrem unpfändbaren Einkommen nicht einmal die Zinslast aller vier Darlehen tragen können. Eine in der Zukunft zu erwartende Verbesserung ihres Leistungsvermögens habe die Klägerin nicht dargelegt. Die danach bestehende widerlegliche Vermutung, dass nämlich die Beklagte aufgrund ihrer engen persönlichen Beziehung zu ihrem Ehemann die Bürgschaftsverpflichtungen eingegangen und die Klägerin dies in sittlich anstößiger Weise ausgenutzt habe, habe die Klägerin nicht widerlegt.

Das OLG gab der Vorinstanz Recht:

“a. Jedenfalls dann, wenn die Bürgschaftsverpflichtungen am gleichen Tage gegenüber dem gleichen Gläubiger für Kreditverbindlichkeiten eines Hauptschuldners abgegeben werden, ist für die Beurteilung der Frage, ob eine krasse finanzielle Überforderung des dem Hauptschuldner nahe stehenden Bürgen vorliegt, eine Gesamtbetrachtung erforderlich, auch wenn seine Verpflichtung in mehrere rechtlich selbstständige Verträge aufgespaltet wurde.

b. Für die Beurteilung der Sittenwidrigkeit eines Rechtsgeschäfts ist auf die Verhältnisse im Zeitpunkt seiner Vornahme abzustellen. Ein nachträglich erklärter einseitiger Verzicht auf die Geltendmachung von Ansprüchen aus solchen Bürgschaftsverträgen, die dazu geführt haben, dass die Leistungsfähigkeit des Bürgen überschritten wird, beseitigt nicht rückwirkend die im Zeitpunkt der Vertragsabschlüsse für den Bürgen bestehende Zwangslage und deren Ausnutzung durch die Bank.”

OLG Saarbrücken, Az.: 8 U 502/07 - 141