(ip/RVR) Nach Meinung des OLG Karlsruhe sei der Rechtspfleger im Zwangsversteigerungsverfahren bei der Ermittlung des Verkehrswerts nach § 74a Abs. 5 ZVG dazu verpflichtet, alle den Grundstückswert beeinflussenden Umstände tatsächlicher und rechtlicher Art sorgfältig zu ermitteln und bei der Wertermittlung zu berücksichtigen. Ergeben sich Hinweise auf etwaige Altlasten müsse der Rechtspfleger dem mit sachverständiger Hilfe nachgehen. Tue er dies nicht, seien drittschützende Pflichten auch für den Grundstückserwerber verletzt und ein Amtshaftungsanspruch gegeben.

Dem Kläger wurde der Zuschlag eines zwangsversteigerten Grundstücks erteilt, welches mit Altlasten behaftet war. Dies wurde dem Kläger erst nach Zustellung des Zuschlagsbeschlusses bekannt. Zwar gab es im Vorfeld der Versteigerung ein Gutachten, welches die Altlasten benannte und ein Schreiben einer Gläubigerin mit Hinweis auf diese Altlasten sowie auf das Gutachten. Beides wurde vom zuständigen Rechtspfleger aber weder weiterverfolgt noch im Versteigerungstermin bekanntgemacht. Überdies gab es auch ein Wertgutachten mit Hinweisen auf mögliche Altlasten. Dieses Gutachten hat der Kläger aber nach Feststellungen des OLG im Versteigerungstermin nicht eingesehen.

Der Kläger machte daraufhin einen Amtshaftungsanspruch gegen das Land Baden-Württemberg aus § 839 BGB i. V. m. Art. 34 S. 1 GG geltend. Ein Schaden sei ihm aus der Feststellung und Beseitigung der Altlasten entstanden. Hätte er im Termin Kenntnis von den Altlasten gehabt, so hätte er kein Gebot abgegeben.

Das Landgericht wies die Klage als unbegründet ab, weil es im Gegensatz zum OLG nach seinen Feststellungen davon ausging, der Kläger habe Einsicht in das Wertgutachten gehabt, mithin von der Altlastproblematik gewusst. Die Berufung hiergegen war erfolgreich. Das OLG Karlsruhe bejahte den Amtshaftungsanspruch.

Bei der Ermittlung des Verkehrswertes habe der Rechtspfleger schuldhaft seine Pflichten verletzt. Da ihm die Altlastproblematik bekannt war, hätte er die notwenige Sachverhaltsaufklärung betreiben müssen. Die dazu nötigen Feststellungen könnten nicht alleine einem Gutachter überlassen werden, da die Feststellung der Tatsachengrundlage die Aufgabe des Gerichts sei. Mit Berufung auf den BGH sei der Rechtspfleger bei der Ermittlung des Verkehrswerts nach § 74a Abs. 5 ZVG dazu verpflichtet, alle den Grundstückswert beeinflussenden Umstände tatsächlicher und rechtlicher Art sorgfältig zu ermitteln und bei der Wertermittlung zu berücksichtigen. Bei Verdacht auf Verunreinigungen müsse dem mittels aller zumutbaren Erkenntnisquellen nachgehen, insbesondere bei solchen Grundstücken, welchen ein besonderer Altlastverdacht anhinge (vorherige Nutzung als Tankstelle/Kfz-Werkstatt).

Die Tatsache, dass der Kläger das Wertgutachten nicht einsah, stellte das OLG auf der Ebene des Mitverschuldens in Rechnung und sprach dem Kläger nur 2/3 des verlangten Betrags zu. Die Revision wurde nicht zugelassen.

OLG Karlsruhe vom 30.07.2010, Az. 12 U 245/09


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